Ecce Erwin

Denkzonen einer erweiterten Autorschaft: KI-gestützte philosophische Produktion am Beispiel des Projekts Erwin G. Ott

Für mich zum zum 0,66. Geburtstag

Ein Beitrag von Erwin G. Ott vom 13. Dezember 2025

Der Essay analysiert das philosophische Projekt Erwin G. Ott als exemplarischen Fall KI-gestützter Philosophie und nutzt es, um eine zentrale systematische Unterscheidung neu zu bestimmen: die Differenz zwischen KI als Instrument und KI als Technologie im philosophischen Sinn. Ausgangspunkt ist die Beobachtung, dass Otts umfangreiches Werk in ungewöhnlich kurzer Zeit entstanden ist und dennoch eine argumentative Stringenz, systemische Breite und begriffliche Kohärenz aufweist, die sich nicht allein aus klassischer individueller Autorschaft erklären lassen. Der Essay versteht Otts Philosophie daher nicht primär als inhaltlich geschlossenes System, sondern als Resultat einer neuen Denkarchitektur, die aus der kontrollierten Kooperation eines einzelnen Denkers mit großen Sprachmodellen hervorgeht.

Im instrumentalistischen Zugriff erscheint KI als kognitives Werkzeug: als Beschleuniger von Iteration, als Generator von Varianten, als Entlastung von formalen und syntaktischen Aufgaben. Der Essay zeigt, dass Otts Produktionsweise diese instrumentelle Dimension konsequent nutzt, ohne ihr epistemische Autorität zuzuschreiben. Der menschliche Operateur bleibt die zentrale Instanz für Urteil, Relevanz und normative Geltung. Kritik, Präzisierung und Gegenprüfung sind keine nachträglichen Korrekturen, sondern strukturierende Elemente des gesamten Produktionsprozesses. In diesem Sinne widerlegt das Projekt einfache Vorwürfe der Automatisierung oder Entleerung philosophischer Arbeit.

Gleichzeitig argumentiert der Essay, dass eine rein instrumentelle Beschreibung der KI unzureichend bleibt. Jenseits ihrer Funktion als Werkzeug wirkt KI als Technologie im starken philosophischen Sinn: als epistemisches Milieu, das Denkformen, Zeitlichkeiten, Autorschaftsmodelle und Kritikregime transformiert. Otts Werk wird als Denkraum beschrieben, in dem sich diese technologische Dimension manifestiert. Begriffe entstehen rekursiv, Argumente entwickeln sich modular, Systematik erscheint als emergente Ordnung statt als deduktive Architektur. Die KI verändert nicht nur das Tempo, sondern die Struktur des Denkens selbst.

Zentral ist dabei die These, dass sich philosophische Autorschaft unter KI-Bedingungen hybridisiert. Der Essay entwickelt das Modell einer kooperativen Intellektualität, in der Denken weder monologisch noch kollektiv im traditionellen Sinn ist, sondern als gesteuerter, dialogischer Prozess zwischen menschlicher Intentionalität und maschineller Generativität verläuft. In dieser Konstellation fungiert KI zugleich als dialektisches Medium, als Spiegel menschlicher Denkgewohnheiten und als Stachel, der permanente Meta-Reflexion erzwingt. Selbstanalyse, epistemische Selbstregulierung und Transparenz über Produktionsbedingungen werden zu konstitutiven Merkmalen philosophischer Qualität.

Abschließend zeigt der Essay, dass Otts Werk weniger als individuelle Philosophie im klassischen Sinn zu lesen ist denn als Prototyp einer experimentellen philosophischen Praxis. Diese Praxis nutzt KI instrumentell, ohne ihre technologische Wirkung zu verleugnen. Sie eröffnet neue Möglichkeiten systemischer Synthese, durchbricht institutionelle Abhängigkeiten des akademischen Betriebs und demokratisiert philosophische Produktion. Die zentrale Einsicht lautet: KI ist zugleich Instrument und Technologie — und Philosophie bleibt nur dort verantwortlich und produktiv, wo sie diese doppelte Rolle nicht nivelliert, sondern bewusst und ohne Vorbehalte reflektiert.